INTERVIEW

TIBOR RODE ERZÄHLT IM INTERVIEW ÜBER SEINEN NEUEN THRILLER „DAS MORPHEUS-GEN" | 17.07.2017

Ende Juli 2018 erscheint mit „Das Morpheus-Gen“ Ihr fünftes Buch. Wie auch in den Vorgängertiteln beschäftigen Sie sich verstärkt mit einem zentralen Thema, das uns als Menschen alle betrifft. In „Das Morpheus-Gen“ geht es um den „Schlaf“. Wie und wann sind Sie auf die Idee gekommen, darüber zu schreiben? Steckt vielleicht eine schlaflose Nacht dahinter?
Hinter meinen Büchern stecken zahlreiche schlaflose Nächte. „Wann schlafen Sie?“ Das ist eine der Fragen, die mir am häufigsten gestellt wird, wenn ich berichte, dass ich neben dem Schreiben weiter als Anwalt tätig bin und vor allem nachts an meinen Büchern arbeite. Wie oft habe ich mir gewünscht, nicht schlafen zu müssen, um all das zu schaffen, was ich mir an einem Tag so vornehme. Vielleicht ist die Idee daraus entstanden.
Einer Ihrer Hauptprotagonisten ist der erfolgreiche New Yorker Anwalt David Berger. Was zeichnet ihn als Mensch aus?
David ist ein guter Kerl. Und er versucht all die Rollen, die das Leben ihm zuteilt, bestmöglich zu erfüllen. Er will ein guter Anwalt sein, aber auch ein liebevoller Freund für seine Lebenspartnerin. Doch er hat viel zu wenig Zeit und durch die hohen Ansprüche, die er an sich selbst stellt, gerät er an seine eigenen Grenzen.
Sie haben sich als Setting für „Das Morpheus-Gen“ die Stadt New York ausgesucht. Was war ausschlaggebend für diese Entscheidung?
Wenn man über jemanden schreibt, der von einem auf den anderen Tag nicht mehr schlafen muss, dann lässt man ihn am besten in New York leben – der Stadt, die niemals schläft. New York ist eine Stadt voller Geheimnisse und einige verrate ich in meinem Buch. So führt die Geschichte David in einen Teil von New York, den niemand wirklich kennt: Die Stadt unter der Stadt. Dorthin, wo die sogenannten Maulwurf-Menschen leben.
David Berger schließt auf ungewöhnliche Weise Bekanntschaft mit der geheimnisvollen Archäologin Nina Larsson. Was ist für Sie das Besondere an der Beziehung der beiden?
Auf eine bestimmte Art sind die beiden sich ähnlich und dann doch ganz verschieden. David ist ein Team-Player und Nina ist der Prototyp der Einzelgängerin. Sie sind gezwungen, sich zusammenzuraufen und das birgt auf der einen Seite viele Konflikte, auf der anderen Seite die Chance, sich gegenseitig Geheimnisse anzuvertrauen.
Im Laufe der Geschichte merkt David Berger, dass er gar nicht mehr schlafen muss und rund um die Uhr wach bleiben kann. Was löst diese Erkenntnis in ihm aus?
Zunächst ist er irritiert. Unser Wach-Schlaf-Rhythmus gibt uns Menschen eine gewisse Routine und damit auch Sicherheit. Ist das gestört, vermittelt das ein Gefühl der Unsicherheit. Dann fängt er an, den Zustand zu genießen, weil er plötzlich den 24-Stunden-Tag hat, den sich so viele von uns wünschen. Er geht nachts Joggen und genießt die neue Freiheit, sich nicht ins Bett legen zu müssen. In der letzten Phase beginnt dann der Horror: Wenn er erkennt, dass mit dem Schlaf die letzte Bastion der Ruhe verloren gegangen ist. Rund um die Uhr wach zu sein, bedeutet auch, ständig mit allem konfrontiert zu sein: Lärm, Licht und, das ist vielleicht das Schlimmste, auch mit sich selbst.
Welche Bedeutung hat Schlaf aus Ihrer Sicht für den Menschen?
Er ist eine Oase der Ruhe. Vielleicht die letzte, die uns die digitale und mobile Welt heute noch gewährt. Selbst unser Handy hat einen Schlafmodus. Gebe es nicht den Zwang, schlafen zu müssen, würden vermutlich viele von uns 24 Stunden am Tag arbeiten. Nicht weil wir es wollen, sondern weil wir es müssen.
Wieso ist Schlaf so wichtig?
Neben der gesellschaftlich-sozialen Komponente ist Schlaf vor allem biologisch wichtig. Wie ein Handy aufgeladen werden muss, muss auch unser Körper und Geist regenerieren und dazu dient der Schlaf. Tatsächlich würde man sterben, wenn man eine gewisse Zeit gar nicht schläft.
Wie haben Sie zu diesem Thema recherchiert?
Ich habe wie immer zahlreiche Fachbücher und Aufsätze zum Thema Schlaf gelesen, Dokumentationen gesehen und im Internet recherchiert. Die Recherche ist ein wichtiger Teil und macht mir immer sehr viel Spaß. Am meisten erstaunt hat mich, wie wenig der Schlaf noch immer erforscht ist, obwohl er einen großen Teil unseres Lebens einnimmt.
Wieviel Schlaf benötigen Sie selbst?
Wenig.
Wäre die Idee, nie wieder schlafen zu müssen, ein Traum oder eher ein Albtraum für Sie?
Ich dachte lange, es wäre ein Traum. Nachdem ich dieses Buch geschrieben habe, denke ich aber, es wäre eine schlechte Idee. Interessant, dass Sie in Ihrer Frage das Wort Traum benutzen: Etwas, das zwingend mit dem Schlafen verbunden ist, denn richtig träumen wir nur im tiefen Schlaf. Das heißt, mit dem Schlaf würden wir auch unsere Träume verlieren. Wäre das nicht schrecklich?
Wer ist beim Schreiben Ihr größter Kritiker? Und wer darf Ihre Texte zuerst lesen?
Mein größter Kritiker bin natürlich ich selbst. Ich glaube alle Autoren, wie vermutlich alle Künstler, gehen mit sich selbst hart ins Gericht und sind niemals wirklich zufrieden. Das ist vermutlich der größte Antrieb, immer weiter zu schreiben. Meine Texte liest immer zuerst meine Frau. Sie ist vermutlich mein zweitgrößter Kritiker und das hört nicht dabei auf, was ich schreibe (lacht).
Zu welchen Autoren greifen Sie privat gerne?
Ich entdecke ständig neue Autoren. Früher habe ich viel von John Grisham gelesen, weil er ein toller Erzähler ist. Heute lese ich auch einige skandinavische Autoren sehr gern. Aber mein eigentlicher Held ist Andrea Camilleri. Keiner schreibt mit solch einer Leichtigkeit und Augenzwinkern. Seine Montalbano-Krimis sind für mich Pflicht und ich hoffe, er schreibt die noch weiter, bis er 120 Jahre alt ist.
Wie dürfen wir uns Ihre Arbeitsweise vorstellen? Lieber akkurat durchplanen oder erstmal drauflos schreiben?
Nein, ich plane alles akkurat durch. Drauflos schreiben macht Spaß, aber ich brauche für eine gelungene Geschichte die Struktur. Nur dann kann ich auf etwas hinschreiben, Dinge planen und scheinbar lose Enden zusammenführen.
Was ist für Sie der schönste Moment im Leben als Autor?
Ich denke alle Autoren lieben es: Die Worte ENDE unter einen Text zu setzen, weil damit ein Projekt, manchmal sogar eine Lebensphase, beendet ist. Dazu mischt sich oft aber auch Melancholie, weil man damit auch eine bestimmte Gedankenwelt verlässt und von seinen Figuren Abschied nehmen muss, die einen seit Monaten oder Jahren begleitet haben. Vielleicht ist der noch schönere Moment, wenn man sein Buch das erste Mal im Buchladen entdeckt. Wenn das, was bis vor kurzem nur im Kopf des Autors existierte und worin man so viel Zeit investiert hat, endlich in der realen Welt und somit auch bei den Lesen ankommt.
Inwieweit haben Sie beim Schreiben auch den Leser im Blick?
Der Leser steht über allem. Er ist derjenige, für den ich die Geschichte schreibe. Ich schreibe Unterhaltungsliteratur, also möchte ich den Leser unterhalten. Insofern versuche ich meine Geschichte ständig mit seinen Augen zu sehen. Problem dabei ist vielleicht, dass es ja nicht den einen Leser gibt. Jeder Leser bringt seine eigene Welt mit, in die meine Geschichte hineinpassen muss. Ich freue mich, wenn möglichst viele Leser Spaß an dem haben, was ich schreibe.